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Die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. (GHND) initiierte ein „Bürgerbegehren für den Neustädter Markt“ mit Laufzeit bis zum 13. April 2022. Unterschreiben können alle Bürger mit Hauptwohnsitz in Dresden.

Die im Faltblatt für Unterschriften gestellte entscheidende Frage lautet:
„Sind Sie dafür, dass vom Königsufer/Elbseite ausgehend die 2019 unter breiter Bürgerbeteiligung entstandenen Wettbewerbsergebnisse (Stadtratsbeschluss V3266/19) verwirklicht werden, die sich am schönen städtebaulichen Zustand vor der Zerstörung orientieren?“

Der Verein GHND unterstellt, die Umsetzung des Wettbewerbsergebnisses von 2019 werde „durch behördliche Entscheidungsträger“ gefährdet; meint, „behördliche Entscheidungen, die eine Umsetzung verhindern würden, müssen zurückgenommen werden.“ Und er verschweigt wesentliche Konsequenzen, die es hätte, wenn die Wettbewerbsergebnisse tatsächlich 1:1 umgesetzt würden, wie mit dem Bürgerbegehren gefordert.

Die Bürgerinitiative Neustädter Freiheit stellt im Folgenden dar, welche Absichten hinter dem Bürgerbegehren zu erkennen sind und was dagegen spricht, zu unterschreiben.

Der Neustädter Markt: eine vielfältig genutzte, historisch bedeutende Anlage der 1970er Jahre

Der Neustädter Markt rahmt den Goldenen Reiter, eine vielbesuchte Sehenswürdigkeit der Dresdner Innenstadt, er bietet Platz für überschaubare Veranstaltungen genauso wie für Gastronomie im Freien und erholsamen Aufenthalt am Brunnen im Grünen. Manche Bestandteile der Anlage sind instandsetzungsbedürftig; entsprechende Maßnahmen werden jetzt geplant, wie vom Dresdner Stadtrat im Juli 2020 beschlossen.
Die Platzanlage hat aber nicht bloß Gebrauchswert, sondern auch ideellen Wert. Sie kam in den 1970er Jahren als überregional gewürdigte Gemeinschaftsleistung von Städtebauern, Landschaftsarchitekten, Architekten, Denkmalpflegern, Künstlern und Designern zustande. Ihnen ist der außergewöhnlich gestaltete Fußgängerbereich aus Hauptstraße und Neustädter Markt zu verdanken. Die historische Bedeutung des Platzes samt rahmenden Gebäuden führte 2021 zur Eintragung dieses Ensembles in die Liste der Kulturdenkmale in Sachsen.

Wird die Umsetzung von Stadtratsbeschlüssen zum Umgang mit dem Wettbewerbsergebnis blockiert?
Der Verein GHND schreibt, der Stadtratsbeschluss zum Ergebnis des 2019 entschiedenen Wettbewerbs werde „durch Verwaltungshandeln blockiert“. Ziel des Bürgerbegehrens sei es deshalb, einen Bürgerentscheid herbeizuführen, der die Stadtverwaltung verpflichtet, „die Rücknahme der entstandenen Planungsblockaden in die Wege zu leiten“.

Als Planungsblockaden stellt der Verein GHND im Faltblatt zum Bürgerbegehren Folgendes dar:
a) Es wird behauptet, durch – nicht beim Namen genannte – „behördliche Entscheidungsträger, welche selbst in der Wettbewerbsjury das Ergebnis mitbestimmt haben“, werde die Umsetzung der Wettbewerbsergebnisse „gefährdet“, und: „Nachdem der Stadtrat bereits die nördliche Bebauung zurückgestellt hat, bleibt von dem Wettbewerbsergebnis kaum etwas übrig. Die für den Wettbewerb aufgewendeten Steuermittel wären umsonst ausgegeben.“

b) Es wird behauptet, die 2021 erfolgte Eintragung der Gesamtanlage des Neustädter Marktes in die Liste der Kulturdenkmale in Sachsen verhindere die im Wettbewerb vorgeschlagene Mischnutzung von Gebäuden am Königsufer ebenso wie „eine Verkehrslösung (Verringerung der Fahrbahnbreiten oder Tunnel)“.“ „Ein jahrelanger Stillstand“ sei „vorprogrammiert.“

Die Darstellung des Vereins GHND ist in beiden Punkten unklar und irreführend.

Fakten
Die Planungen für das Wettbewerbsgebiet stocken nicht, sondern sind im Gange. Das weiß man offenbar auch im Verein GHND, denn anders könnte man sich nicht über konkrete Unterschiede zwischen den Wettbewerbsentwürfen und aktuellen, weiterführenden Planungen beschweren.

Zu a) Beschluss über das Wettbewerbsergebnis
Grundsätzlich:
Der Wettbewerb war ein IDEENwettbewerb. In Ideenwettbewerben werden keine bestimmten Bauten oder Anlagen entworfen. Vielmehr soll eine breite Spanne von Entwicklungsmöglichkeiten anschaulich gemacht werden. Ein Ideenwettbewerb kann auch dazu führen, dass ein Bauvorhaben gänzlich fallen gelassen wird. Und auch dann können die Steuergelder gut angelegt gewesen sein.
In der Verwaltungsvorlage V3266/19 vom 6. November 2019 heißt es, Zitat:
"Die Bebauung des Neustädter Marktes hat bereits während der Öffentlichkeitsbeteiligung und auch im Auswahlverfahren für viele Diskussionen gesorgt. Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass keine Bebauungsvariante auf dem Marktplatz als überzeugend empfunden wurde und sich viele Bürgerinnen und Bürger gewünscht haben, dass der Neustädter Markt unbebaut bleibt. Es wird vorgeschlagen, den Platz mit freiraumplanerischen Mitteln aufzuwerten, dies sollte in Varianten erfolgen. Ergebnis soll ein Gesamtkonzept zur Sanierung des Platzes und der Brunnen, welche mit Datum vom 13. März 2019 durch das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen gemäß § 10 Absatz 2 Satz 1 Sächsisches Denkmalschutzgesetz (SächsDSchG) in die Kulturdenkmalliste eingetragen wurden, mit einem angemessenen Umfeld sowie zusätzlicher Bepflanzung sein. Das Konzept wird unter Beteiligung der Öffentlichkeit erarbeitet.“
Im Beschluss des Stadtrats, der von dieser Vorlage ausgehend am 16. Juli 2020 gefasst wurde, heißt es dann, Zitat:
„4. Die Bebauung im nördlichen Abschnitt des Siegerentwurfes (Baufelder 4, 5 und 6) wird zurückgestellt, für den Neustädter Markt wird stattdessen eine freiraumplanerische Qualifizierung in Varianten erarbeitet und öffentlich diskutiert. Dabei sind die Brunnen an ihren Plätzen zu belassen, eine Verschiebung ist ausgeschlossen. Angestrebt wird für den Neustädter Markt eine Gestaltung als öffentlicher Freiraum und Veranstaltungsfläche mit hoher Aufenthaltsqualität. Eine stärkere Begrünung ist zu prüfen. Die beschädigten Gehwegplatten sind zu sanieren. Die funktionale Instandsetzung des derzeit stillgelegten Brunnens ist vorzusehen.“
Das ist die Beschlusslage, und die Stadtverwaltung arbeitet an der Umsetzung des Ratsbeschlusses von 2020 (Mitteilung der Beigeordneten für Umwelt und Kommunalwirtschaft vom 2. März 2022 auf eine Anfrage der Initiative Neustädter Freiheit).

Zu b) Auswirkungen des Denkmalschutzes
Der Denkmalschutz für die Platzanlage verhindert nicht, dass die Verkehrssituation im Bereich Neustädter Markt verbessert wird.
Im Stadtratsbeschluss von 2020 heißt es anschließend an den Beschluss zum Umgang mit der Platzanlage, Zitat:
„5. Parallel ist der Straßenzug Große Meißner Straße/Köpckestraße bezüglich seiner Straßenraum-Veränderung, orientiert am Wettbewerbsergebnis, zu prüfen (vgl. Anlage 5) und das Prüfergebnis dem Stadtrat zur Beschlussfassung nach einer Öffentlichkeitsbeteiligung vorzulegen. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass der Verkehrszug Große Meißner Straße/Köpckestraße im Bestand die Innere Neustadt vom Elbufer abschneidet und deshalb eine Verlagerung des Verkehrs zur Reduzierung des Straßenquerschnittes wünschenswert ist.“
Es folgen weitere Prüfaufträge für mögliche Veränderungen am Verkehrsraum.
Was 2020 vom Stadtrat beschlossen wurde, lässt sich ohne Abstriche auch nach der im Mai 2021 erfolgten Eintragung des Platzensembles in die sächsische Liste der Kulturdenkmale umsetzen. Schon beim Wettbewerb war eine ganze Reihe von Kulturdenkmalen im Wettbewerbsgebiet zu berücksichtigen. Das gilt jetzt für die ganze Platzanlage und bedeutet, dass bei Planungen und konkreten Veränderungen am Vorhandenen unter anderem denkmalpflegerische Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen.
Der Denkmalschutz schließt Neuerungen keineswegs aus, so wie wir es beispielsweise vom Residenzschloss kennen, wo es zu erheblichen Veränderungen kam. Man denke an die Überdachung des Hofes und die barrierefreie Erschließung des hochrangigen Baudenkmals. Die im Stadtratsbeschluss als wünschenswert bezeichnete „Reduzierung des Straßenquerschnittes“ von Große Meißner und Köpckestraße dürfte deshalb auch im Bereich des Kulturdenkmals Neustädter Markt möglich sein.
Der Verein GHND propagiert eine Nachverdichtung in historisierenden Formen
Wer verfolgt hat, wie der Verein seit Abschluss der Planungen für das Umfeld der Frauenkirche nach neuen Betätigungsfeldern sucht, ahnt, was gemeint ist, wenn auf dem Faltblatt steht: „Beginnend mit dem Königsufer“ könne „ein Impuls entstehen, der den Neustädter Markt über die Elbe hinweg wieder zu einem Anziehungspunkt macht und in die Innere Neustadt ausstrahlen lässt.“ Wie solche Ausstrahlung wirken könnte, zeigen die Abbildungen auf dem Flugblatt: Der Verein GHND befürwortet eine Rückkehr zur dichteren Bebauung der Vorkriegszeit in historisierenden Formen, und zwar nicht bloß am Königsufer, – auf Flächen, wo heute viele stattliche Bäume wachsen – sondern auch auf Teilen der Platzanlage beiderseits vom Goldenen Reiter. Es fällt auf, dass die beiden Grundrisse auf dem Flugblatt nur jeweils einen Teil der prämierten Wettbewerbsentwürfe zeigen. Ausgespart ist, dass in beiden Entwürfen Baublocks vorgeschlagen wurden, die teilweise auf der heutigen, begrünten Platzfläche stehen. Es sind diese Wettbewerbsentwürfe, deren umfassende Realisierung die GHND erreichen möchte. Die Bebauung auf dem Neustädter Markt wurde vom Stadtrat 2020 zwar „zurückgestellt“. Sie ließe sich aber vielleicht irgendwann doch noch durchsetzen. Und das wäre leichter ohne den Denkmalschutz für das Platzensemble.

Wenn jetzt, mitten in der Laufzeit des Bürgerbegehrens, vonseiten des Vereins GHND verlautet, es gehe nur um die Bebauung am Königsufer, dann ist die Frage des Bürgerbegehrens falsch gestellt. Denn darin ist uneingeschränkt von Verwirklichung der Wettbewerbsergebnisse die Rede (siehe oben).

Der Verein GHND wirbt mit dem Slogan „Promenadenflair statt Autoverkehr am Neustädter Markt!“ für Unterschriften zum Bürgerbegehren. Der Werbespruch weckt allerdings falsche Vorstellungen. Der Verein befürwortet nämlich, den Verkehrsraum durch dichte Bebauung auf beiden Seiten von Großer Meißner und Köpckestraße einzuengen. Es ist unstrittig, dass der Raum für den Autoverkehr im Bereich Neustädter Markt reduziert werden sollte. Dafür muss man aber nicht auf der jetzigen Straße und dem Platz bauen. Zumal es sich um kostbares städtisches Grundeigentum handelt. Man kann mehr Raum für Fußgänger, Radfahrer und passende Veranstaltungen schaffen, kann Flächen entsiegeln und mit Baumpflanzungen tatsächlich „Promenadenflair“ erzielen.

Die Initiative Neustädter Freiheit stellt deshalb fest:
Bauliche Verdichtung ist verfehlt, wo es ganz im Gegenteil um die Stärkung von Freiraumqualitäten gehen muss. Sowohl zugunsten optimaler Aufenthaltsqualität, als auch wegen der schon heute feststellbaren Überhitzung der Inneren Neustadt ist die vom Stadtrat 2020 beschlossene „freiraumplanerische Qualifizierung“ des Neustädter Marktes geboten.

Als wessen Sprecher darf sich der Verein GHND eigentlich verstehen?
In einer Pressemitteilung vom 12. Februar 2022 erklärte die Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e. V. (GHND), dass sie Unterschriften unter das Bürgerbegehren als Unterstützung „für das Engagement der GHND bei Fragen des Städtebaus und des Wiederaufbaus Dresdens“ ganz allgemein werten werde.

Auch die hierin angedeutete „Nebenwirkung“ sollten alle bedenken, bevor sie das Bürgerbegehren unterschreiben. Wer unterschreibt, tritt seine Stimme in Fragen der Dresdner Stadtentwicklung und Architektur an die GHND ab. Immer, wenn sich der Verein künftig zu diesen Fragen äußert, wird er behaupten, für alle Unterzeichner des Bürgerbegehrens zu sprechen.

Übrigens: Wer schon unterschrieben hat, kann es sich laut Kleingedrucktem auf der Unterschriftenliste nochmal anders überlegen und die Unterschrift widerrufen, und zwar während der Laufzeit des Bürgerbegehrens (bis zum 13. April 2022) bei der GHND, danach beim Bürgeramt der Landeshauptstadt Dresden.

Initiative Neustädter Freiheit, c/o AHA Studio,
Neustädter Markt 9, 01097 Dresden
www.Neustädter-Freiheit.de

Quellen:
Der Beschluss des Dresdner Stadtrates vom 16. Juli 2020, Wettbewerbsergebnis „Königsufer/Neustädter Markt“ V3266/19, ist im Archiv des Dresdner Amtsblatts unter www.dresden.de/amtsblatt, Ausgabe 30-31/2020, S. 15-16 zu finden.
Verwaltungsvorlage Nr. V3266/19 unter
https://ratsinfo.dresden.de/getfile.asp?id=440548&type=do